Das Handelsblatt behauptet heute, höchst exklusiv einen bislang unentdeckten Teil des billionenschweren Desasters um unsere Staatsfinanzen aufgestöbert zu haben. Ein Scoop also, der dem Handelsblatt eine Ehrenmitgliedschaft in der sogenannten „Truther“-Szene einbrächte – wäre er denn wirklich so neu und exklusiv ...

Unter der hochtrabenden Überschrift „Die Wahrheit“ und „neueste Berechnungen zur heimlichen Staatsschuld“ auf seiner heutigen farbigen Titelseite gibt das Handelsblatt und dessen „Chefökonom“ Dirk Heilmann mit dem quasi-amtlichen Stempel des Freiburger Finanzwissenschaftlers Prof. Raffelhüschen sogar noch ein kartoniertes und gefaltetes hochwertiges „Extrablatt“ mit der so sensationellen Grafik der impliziten deutschen Staatsverschuldung im DIN A1 (!) - Format heraus. Jenen 5 Billionen EUR also, welche den Barwert der ungedeckten Zahlungsverpflichtungen aus den Sozialkassen darstellen, den man in einer sauberen Buchführung schon seit Jahrzehnten der offiziellen Staatsschuld i.H.v. derzeit 2,1 Billionen EUR hätte hinzurechnen müssen.

Genau das aber haben Hunderte von Forenschreibern zB im Goldseiten-Forum seit 2004 getan. In anderen Foren und Finanz-Webseiten sogar noch länger - und Dutzende von Bloggern weisen auf diesen Tatbestand der impliziten Staatsschuld seit vielen Jahren hin. Jedesmal, wenn ich selbst es in einem Artikel einmal schlampigerweise und ausnahmsweise gewagt hatte, nur die offizielle Staatsschuld (i.H.v. zB 2005 „nur“ 1,5 Billionen EUR) zu zitieren, machten mich jedes Mal Dutzende aufmerksamer Leser auf die wahre Gesamt-Zahl der Verschuldung aufmerksam, was ich in jedem Einzelfall immer kleinlaut bestätigen musste.

Insofern reden wir hier von einer –auch ohne professoralen Stempel aus Freiburg– zwar längst bekannten Zahl von derzeit etwa 2+5 = 7 Billionen EUR an deutscher Gesamtverschuldung und damit über 250% des deutschen BIP. Dennoch ist es im Prinzip löblich, dass das Handelsblatt in einer drucktechnisch beeindruckenden (wenn auch ganz unten in der Grafik fehlerhaften) Präsentation endlich die Wahrheit adäquat aufbereitet. Und bekanntermaßen ist ja die Demographie (die letztlich hinter dem Desaster der Sozialkassen steht) eine sehr exakte Wissenschaft, wie just jener Prof. Raffelhüschen schon vor Jahren in einem Interview völlig zurecht angemerkt hat. Die demographische Zukunft eines Landes ist –unter Ausklammerung von Kriegen und Naturkatastrophen inklusive exzessiver Zuwanderung– tatsächlich immer schon viele Jahrzehnte im Voraus glasklar prognostizierbar. Mit minimalen Fehlerraten einzig aufgrund des medizinischen Fortschritts und mit mathematisch sehr klar berechenbaren Folgen (= ungedeckten Defiziten) in den Sozialkassen!

Auf den ersten Blick ist es undankbar und grenzt an Nestbeschmutzung, wenn ich moniere, dass der Mainstream etwas unbestreitbar Wahres und noch dazu Wichtiges schreibt. Immerhin reden wir von einer Unterdeckung von heute bereits 5 Billionen EUR. Auch dass diese Darstellung der Wahrheit der Sozialkassen um viele Jahre überfällig war, sei dem HB verziehen – immerhin ist man in Düsseldorf damit weiter gegangen als bislang alle Mainstream-Konkurrenten in Frankfurt, Berlin, Hamburg oder München.

Warum also schimpft der Wutblogger PB heute schon wieder auch über diese doch eigentlich löbliche Arbeit des Chefökonoms Heilmann und des Chefdemographen Raffelhüschen? Nun, das hat neben dem oben schon genannten Einwand "überfällig" durchaus auch noch andere Gründe:

1. Die nun „plötzlich neu entdeckte“ skandalös hohe „heimliche Staatsschuld“ i.H.v. gut 5 Billionen EUR ist zurückzuführen auf Versprechen der Sozialversicherungsträger, die in vielen Jahrzehnten gemacht wurden unter aktiver Mithilfe betrügerischer Blüm´scher Politiker, wobei der Betrug eigentlich schon unter Adenauer begonnen hatte, als statt eines Kapitaldeckungsverfahrens (das damals im Goldstandard-System von Bretton Woods seinen Namen sogar noch verdient und funktioniert hätte) ein Umlagesystem für die Sozialversicherungen entwickelt worden war, das selbstredend nicht Demographie-fest war. Was hier also in 60 Jahren verbockt wurde, werden die EUR-„Rettungsschirme“ EFSF und ESM bis etwa 2015 (!) und damit in gerade einmal 5 Jahren schaffen. Das aber steht heute nicht im Handelsblatt. :!:

2. Die ungedeckten bzw. nur mit Inflationsgeld wenigstens nominal bedienbaren Rentenversprechungen sind –abgesehen von den berüchtigten „sachfremden“ exterritorial zugestandenen Renten an „Berechtigte“ im Ausland– eigentlich nur Deutschen versprochen worden oder solchen, die sich durch Arbeit in Deutschland Rentenansprüche erworben haben. Ganz anders dagegen die Subventionszahlungen über EFSF und ESM, welche über die ausgesprochenen Garantieversprechen reine Geschenke ans Ausland bzw. an dessen Gläubigerbanken sind. Nichts davon wird Deutschen zugute kommen – ganz im Gegenteil. Das aber steht heute nicht im Handelsblatt.

3. Natürlich nehmen wir von der Aussage unter 2. ("Kommt Deutschen nicht zugute") Teile der deutschen Exportwirtschaft aus. Allerdings nicht die Millionen von Exportbetrieben, die auch bis 1999 in einem Umfeld einer stetig aufwertenden DM Exportweltmeister durch stetig verbesserte Produktivität werden und bleiben konnten. Ausnehmen muss man lediglich die vielleicht 50 multinationalen Großkonzerne, deren Führer de facto Teile der Weltregierung sind und die sich nicht mehr ihrem Land oder ihren Mitarbeitern, sondern nur noch ihren (meist mehrheitlich internationalen) Aktionären und ihren Fremdfinanzierern, den oligopolistisch-mafiösen Großbanken, den planwirtschaftlichen Notenbanken und der korrupten Politik verantwortlich fühlen. Das aber steht heute nicht im Handelsblatt – ganz im Gegenteil bekommt just heute dieses kleine Häufchen von Wirtschaftsführern im HB ein Forum für ihren „Offenen Brief“, in dem sie den deutschen Bundestagsabgeordneten fast schon drohen „stimmt bloß am 29.9. für den EFSF, sonst ... Armageddon“. Das HB wertet dieses völlig ungehörige Ansinnen einer kleinen Minderheit der Großwirtschaft denn auch noch auf mit der Überschrift auf der 2. Titelseite „Die Wirtschaft [sic!] wirbt für die Kanzlermehrheit“.

4. Auch in weiteren Artikeln des heutigen HBs wird die Leserschaft weichgeklopft für die „alternativlose“ EUR-Transfergemeinschaft zu Deutschlands Lasten. Offenbar hat das HB seinen Lichtblick vor einigen Wochen schon vergessen, als in einer anderen Titelgeschichte einmal wahrheitsgemäß die fatalen Folgen des Totalen EUR aufgezeigt wurden ...

5. Warum wird die längst bekannte Klamotte mit der ungedeckten Staatsverschuldung Deutschlands vom HB gerade jetzt so plakativ und großformatig aufgearbeitet? Unvermittelt fällt einem an dieser Stelle Folker Hellmeyer ein, der ja seit Monaten mit einigem Recht erklärt, dass der EUR derzeit unter angelsächsischem Beschuss steht, um vom Desaster des Dollars und des Pfunds abzulenken... Auch das HB scheint diesen Beschuss heute mitzumachen – anders ist dieses Timing der Berichterstattung über uralte Tatsachen nicht erklärbar.

6. Zudem vermisst man im HB schmerzhaft auch noch zwei Sätze zur Herkunft der offiziellen deutschen Staatsschuld i.H.v. derzeit 2,1 Billionen EUR:

a) Ein volles Zehntel (!) dieser offiziellen Staatsschuld ist alleine nur auf die „Rettung“ der HRE bzw. die Gründung der HRE Bad Bank zurückzuführen. Alleine nur dieser Popel-Laden mit einer Marktkapitalisierung i.H.v. selten über 10 Mrd EUR hat einen Schaden für den deutschen Steuerzahler in 20-facher Höhe verursacht! Zahlen zu anderen Instituten sind vielfach noch nicht bekannt und/oder aufgrund von Buchungstricks und absurden Garantiekonstruktionen noch nicht Staatsverschuldungs-relevant geworden. Womit wir wieder bei den EUR-/ Banken-Rettungsaktionen via EFSF und ESM wären, welche schon in diesem Jahrzehnt (und nicht im Laufe vieler Jahrzehnte wie die impliziten Sozialkassen-Schulden) Verarmungs-relevant für den deutschen Michel werden! Das aber steht alles heute nicht im Handelsblatt. Statt dessen darf just auf dem o.g. DIN A1-Faltblatt zur wahren Verschuldung ausgerechnet die faktisch insolvente UniCredit als indirekter Mutter der ehemaligen Tochter HRE für ihre Vermögensberatung werben. Slogan dazu: "1. Platz, Beratung Geldanlage"...

b) Die offizielle staatliche Neuverschuldung wäre in Deutschland trotz der unterirdischen Regierungsarbeit seit mind. 40 Jahren fast immer negativ gewesen – hätte es nicht den riesigen Ausgabeposten namens „Zinsen auf Altschulden“ gegeben. Dieser Posten, der im Parlament fast nie erwähnt wird, beträgt derzeit etwa 4,x% auf 2,1 Billionen EUR oder über 100 Mrd EUR p.a.! Noch nie hat die deutsche jährliche Neuverschuldung jemals über dieser Marke gelegen – auch wenn sich das in den kommenden Jahren leider ändern wird – EFSF und ESM sei Dank. Mit anderen Worten: Ohne Schuldensünden der Vergangenheit würden in diesem Land Milch und Honig fließen. Deutschland könnte seit Jahren sogar Schulden abbauen. Schulden sind immer der Anfang vom Ende jedes Staates. Es wird auch diesmal nicht anders sein. Aber diese Diskussion führte ja viel zu direkt in die Wirtschaftstheorie der Österreichischen Schule oder –Gott bewahre- in die Denkwelt der Goldbugs, denn eine Welt des Goldstandards hätte exzessive Verschuldung schon vor 40 Jahren erfolgreich verhindert. Und das ist im HB noch immer „igitt“ und Tabuthema.

7. Und bevor Sie es vergessen und dann in einem „Scoop“ im Jahre 2017 nachreichen müssen, liebes Handelsblatt: Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass Sie auch für die USA des Jahres 2011 bereits heute ein wunderschönes Extrablatt mit der US-Staatsverschuldung herausgeben sollten! Die Grafik darin müsste allerdings dann weit nach oben verlängert und im DIN A0 – Format gedruckt werden, denn zur offiziellen US-Verschuldung von ca. 15 Billionen US-Dollar kämen noch mindestens 60 Billionen (!) an ungedeckter impliziter Verschuldung aus MediCare und Social Security - Verpflichtungen hinzu. [nach anderen Quellen sogar fast das Doppelte - also 115 Billionen!]. In Summe liegt die US-Gesamtverschuldung also mindestens bei 500% des US-BIP – und damit ganz klar auf Insolvenzniveau! Bitte schreiben Sie auch dazu mal was, Herr Steingart – so wie wir Blogger es seit vielen Jahren getan haben. Es ist der Redlichkeit der Argumentation geschuldet. Oder sind Sie etwa „Anti-Europäisches“ Kampfblatt? Dann mailen Sie mich an. Ich kenne mich mit dem Vorwurf aus – wir bilden dann eine Selbsthilfegruppe...

Soviel zu den „Themen des Tages“, welche auch die Themen des Jahrzehnts werden dürften. Als Addendum lesen Sie bitte unten noch einen Hinweis auf einen unglaublichen und unbedingt archivierungswürdigen Schäuble-Spruch – zitiert aus der FAZ. Und wer klagt Schäuble jetzt an? Natürlich wegen offener Verfassungsfeindlichkeit in einem besonders schweren Fall. Konkreter wegen verfassungsfeindlicher Umtriebe gegen das GG selbst, gegen den Nationalstaat als einzig (!) verfassungsgemäßer Einheit – siehe BVerfG / Lissabon-Urteil 6-2009. Und natürlich auch wegen Umtrieben gegen die deutsche Sprache und die Logik, denn eine „Ewigkeit“ ist niemals relativierbar oder verhandelbar!

„Bundesfinanzminister Schäuble hat im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hervorgehoben, dass der Euro-Rettungsschirm 'unserer europäischen und nationalen Verantwortung' entspreche. Das alte Regelungsmonopol des Nationalstaats habe sich ‚ad absurdum geführt‘, sagte Schäuble. ... Zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sagte der CDU-Politiker: ‚Im Hinblick auf die Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes mahne ich zur Zurückhaltung.‘ :!: [sic!] >:XX

=> Nicht „der Nationalstaat“, sondern Schäuble selbst führt sich hier „ad absurdum“. So wie (s.o.) die "Wahrheit" im Mainstream ein höchst relativer Begriff ist, definiert sich Schäuble sogar den absoluten Begriff der "Ewigkeit" um wie es ihm gerade passt. Auf welchem Niveau sollen wir noch für dumm verkauft werden?

=> Schäubles Angriff auf das GG reiht sich nahtlos ein
- bei Merkel („Die Deutschen haben wahrlich kein Grundrecht auf Demokratie“),
- beim Prozessbevollmächtigten der BuReg vor dem BVerfG Prof Meyer („Die Kläger berufen sich auf ein neuartiges Grundrecht, das noch gar nicht existiert – auf die 'Demokratie'“),
- bei Steinbrück („Deutschland muss [für alles] zahlen“),
- bei Trittin („Deutschland verschwindet jeden Tag immer mehr, und das finde ich einfach großartig“),
- bei Fischer („Deutschland muss von außen eingehegt und von innen verdünnt werden“),
- bei Verheugen („Deutschland über EU einbinden, damit es nicht zur Gefahr wird für andere“);
- und bei so vielen anderen Karriere-Opportunisten im Sold der Weltregierung.